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Stadtfrust? Landlust?

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Landlust oder Stadtfrust?





von Nadine Kraft
Wissenschaftliche Mitarbeit: Dr. Annett Steinführer, Frank Osterhage, Heike Peter
Illustration: Mareike Zech
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Jährlich wechseln knapp vier Millionen Menschen innerhalb Deutschlands ihren Wohnort. Sie entscheiden sich gewissermaßen mit den Füßen für andere Wohn-Optionen in Stadt und Land. Jahrelang fielen diese Wanderungen zugunsten der großen Städte aus. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet: Zuletzt haben viele ländlich geprägte Kreise Wanderungsgewinne erzielt.

Doch ist das eine Entwicklung, die durch die Erfahrungen mit der Corona-Pandemie ausgelöst wurde, wie es unter anderem von Immobilienverbänden oder in Medienberichten häufig unterstellt wird?

Welche Entscheidungen in den Haushalten zu Binnenwanderungen führen und wie genau sich diese entwickelt haben, wurde im Projekt KoBaLd vom Thünen-Institut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen und vom ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung umfassend untersucht. Wir zeigen anhand dieser Untersuchung, ob es sich bei den aktuellen Wanderungsbewegungen um eine Trendumkehr zugunsten der ländlichen Räume handelt – oder nicht.
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Die Veränderungen in den sogenannten Binnenwanderungen werden in den Zahlen für die sieben größten deutschen Städte sichtbar: Im Jahr 2006 verzeichneten sie zusammen noch Wanderungsgewinne von 55.000 Menschen gegenüber dem übrigen Bundesgebiet. In den Folgejahren mussten die Städte schon jährliche Wanderungsverluste von mehr als 20.000 Personen hinnehmen. Und diese Verluste wuchsen zuletzt bis auf 60.000 Menschen im Jahr 2021 an – dem zweiten Jahr mit Corona.

Der Umzug aufs Land endete häufig zunächst im großstadtnahen, sogenannten Speckgürtel. Neuerdings profitieren jedoch von der neuen Landlust auch einige sehr ländliche Räume, also kleinere Kommunen in größerer Entfernung zur Stadt.

Günstigere Grundstücke, viel Natur und soziale Nähe scheinen für viele Menschen wieder attraktiver zu sein als kurze Wege zu Arbeit, Schule und Nahversorgung oder eine hohe Dichte an kulturellen oder medizinischen Einrichtungen.



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Frank Osterhage

Projektleiter KoBaLd, ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung

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Für die aktuellen Veränderungen im Wanderungsgeschehen gibt es mehrere Gründe: eine gewisse Mischung aus Stadtfrust und Landlust, knapper und teurer werdender Wohnraum in den Städten, eine Vielzahl an Rückwanderungen und die Sehnsucht vieler Menschen nach Bergen und Meer.

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In den vergangenen zwei Jahrzehnten hatten mal die städtischen Räume, mal die ländlichen die Nase vorn. Ab Mitte der 2000er profitierten die Großstädte stark. Zu einer Umkehr der Wanderungsbewegungen führte unter anderem die angespannte Lage auf den Wohnungsmärkten dieser Städte.

Während der Corona-Pandemie hat sich diese Entwicklung zugunsten sehr ländlicher Räume noch einmal verstärkt. Lockdowns und lange Phasen im Homeoffice ließen bei vielen Städtern den Wunsch nach mehr Wohnraum und einem Garten wachsen.

Von einem völlig neuen Trend hin zum Leben auf dem Land wollen die Forschenden des Thünen-Instituts und des ILS dennoch nicht sprechen. „Erstens hat die Entwicklung bereits früher eingesetzt. Und zweitens werden viele Effekte der Pandemie schon bald wieder abebben“, sagt Frank Osterhage vom ILS.
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Warum wandern Menschen?

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Im Laufe des Lebens stellen sich die immer gleichen Fragen: Gehen wir oder bleiben wir?

Wie aus den Befragungen für die KoBaLd-Studie deutlich wurde, wird die Entscheidung für oder gegen einen Wohnstandort nach wiederkehrenden Mustern und je nach Lebensphase im Haushalt ausgehandelt und abgewogen. Und: Die Ankunft am neuen Standort bedeutet noch lange nicht, dass die Menschen dort nun dauerhaft sesshaft werden. Der Wohnort wird oftmals einer erneuten Bewertung unterzogen. So können neue Wanderungsimpulse entstehen.

Typische Auslöser hängen mit dem jeweiligen Alter, der Haushaltssituation, beruflichen Veränderungen und der gewünschten Verbesserung der Wohnsituation zusammen:
  • Auszug aus dem Elternhaus
  • Berufseinstieg
  • Familiengründung
  • Arbeitsplatzwechsel eines Haushaltsmitglieds
  • wahrgenommene Verschlechterung des Wohnumfelds
  • Finanzierbarkeit einer Immobilie
  • Auszug der Kinder (empty-nest-Phase)
  • Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen
  • Renteneintritt
  • gesundheitliche Probleme eines Partners
  • Verwitwung
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Dr. Annett Steinführer

Projektleiterin KoBaLd am Thünen-Institut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen

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Wenn es um Wanderungstrends zwischen Stadt und Land geht, fallen häufig die Begriffe Stadtflucht oder Landflucht. Beide werden den dahinter liegenden Entscheidungen nicht gerecht. Denn jeder Umzug ist mit Kosten verbunden und wird deshalb meist gut abgewogen. Es handelt sich also in Friedenszeiten nur selten um einen erzwungenen oder spontanen Aufbruch.

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Die bundesweite, repräsentative Befragung für das KoBaLd-Projekt hat nicht nur gezeigt, warum Menschen wandern oder bleiben, sondern auch, weshalb sie sich für einen bestimmten Wohnstandort entscheiden.

Nahezu unabhängig davon, in welche Richtung sich Menschen neu orientieren, sind dafür drei Kriterien entscheidend: die Wohnkosten, das Lebensgefühl am Wohnort und die Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten.

Ziehen die Menschen von der Stadt aufs Land, suchen sie zudem mehr Grün- und Freiflächen oder wollen in einer landschaftlich attraktiven Region leben. Außerdem wird viel Wert auf die Größe der Wohnung und des Grundstücks, auf Balkon oder Terrasse gelegt.

Im Gegensatz dazu steht die umgekehrte Wanderung: Wer in die Stadt zieht, möchte näher am Arbeits- oder Ausbildungsort wohnen und legt allergrößten Wert auf eine gute Erreichbarkeit mit Bus und Bahn – auch, um das Reisen zu erleichtern.
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„Man muss auch die Möglichkeit haben, mal nicht so viel Leute um sich herum zu haben. Das genießt man wahrscheinlich wieder auf dem Dorf, einen Garten zu haben, da machen zu können, was man will, und in der Stadt muss man sich das mit Leuten dann doch in Parks und so weiter teilen. Das ist schon, ja, schon interessant, das so zu beobachten, man muss nur Rückzugsmöglichkeiten haben.“
Sabine, 59 Jahre, Lehrerin, wohnt auf dem Land im Eigenheim
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„Obwohl ich auch zugeben muss, ich würde gerne in ein Haus ziehen, vielleicht auch so der klassische deutsche Traum, keine Ahnung. […] Aber ich glaube, wenn man Kinder haben will, ist das glaube ich so.“
Sven, 33 Jahre, Ingenieur, lebt in der Stadt
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Was bedeutet das für die Raumplanung?

Die Untersuchungen von Thünen-Institut und ILS verdeutlichen: Den einen Wohnstandort für alle Lebensphasen und Haushaltstypen gibt es nicht.
Dennoch lassen sich allgemeine Prinzipien für die Quartiers-, Stadt- und Gemeindeplanung aus den Ergebnissen ableiten:
  1. Die Wohnangebote zur Miete und im Eigenheim sollten vielfältig sein und verschiedene Phasen im Lebensverlauf abdecken.
  2. Dem Eigenheim als Nonplusultra sollten alternative und moderne Bilder guten und ressourceneffizienten Wohnens zur Seite gestellt werden. Dabei sollte explizit auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz Bezug genommen werden.
  3. Neben harten Kriterien sollte auch ein gutes Wohn- und Lebensgefühl im Quartier bzw. Dorf eine Rolle spielen – Annehmlichkeiten und Flair beeinflussen die Wohnstandortentscheidungen nicht unerheblich.

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Warum wählen Menschen den einen oder den anderen Wohnort? Aus Stadtfrust, aus Landlust und aus einer Vielzahl handfester Gründe. Das hat die KoBaLd-Studie von Thünen-Institut und ILS im Detail gezeigt.

Hat Corona eine Trendwende ausgelöst? Das verneinen die Forschenden. Vielmehr handelt es sich nach ihren Erkenntnissen um eine bereits länger anhaltende, vor der Pandemie aber in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommene Trendverschiebung bei den Binnenwanderungen.

Tatsächlich aber gehen mit der Corona-Pandemie Veränderungen einher: Sie hat dem ortsunabhängigen Arbeiten einen Schub gegeben. Und sie hat das Bild vom Land, die Wahrnehmung von Dorf und Kleinstadt als lebenswerte Wohnorte spürbar gewandelt.

Damit verbinden sich längerfristig neue Chancen, manchenorts sicher auch Herausforderungen, für ländliche Räume. Diese sollten sich darauf vorbereiten, indem sie für die verschiedenen Altersgruppen und für unterschiedliche Haushaltstypen attraktiv sind und mit verlässlicher Infrastruktur aufwarten.

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Quellen und Literatur

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Von 2018 bis 2022 haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Thünen-Instituts für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen und des ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung die Wanderungsbewegungen in Deutschland seit 2005 untersucht. Dabei interessierte vor allem, ob und welche Trendänderungen es gab und aus welchen Gründen Menschen den Wohnort wechseln. Deshalb wurden erstmals nicht nur statistische Daten ausgewertet, sondern auch eine bundesweite Umfrage und persönliche Interviews durchgeführt. Die Corona-Pandemie kam als unvorhersehbares Ereignis hinzu.

Im Ergebnis werden die Gründe, warum Menschen in die ländlichen Räume gehen, dort bleiben oder sie verlassen, deutlich besser verstanden. Annahmen zu den Motiven, Mechanismen und Anlässen von Wohnstandortentscheidungen, auf die sich auch (regional-)politisches Handeln richtet, sind überprüfbar und basieren nun auf empirisch fundierteren Aussagen als bisher.
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Coulter R, van Ham M, Findlay AM (2016) Re-thinking residential mobility: Linking lives through time and space. Progress in Human Geography 40(3):352-374

Findlay A, McCollum D, Coulter R, Gayle V (2015) New mobilities across the life course: A Framework for Analysing Demographically Linked Drivers of Migration. Population, Space and Place 21(4):390-402

Kley S (2009) Migration im Lebensverlauf: Der Einfluss von Lebensbedingungen und Lebenslaufereignissen auf den Wohnortwechsel. Wiesbaden

Rühmling M (2022) Bleiben in ländlichen Räumen: Bleibenslebensweisen am Beispiel von Frauen in ländlichen Räumen in Mecklenburg-Vorpommern. Dissertationsschrift, Universität Rostock

Wagner M (1989) Räumliche Mobilität im Lebensverlauf: Eine empirische Untersuchung sozialer Bedingungen der Migration. Stuttgart
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1. Stadtlust? Landlust?: © Thünen-Institut/Christina Waitkus
2. Mehr Menschen ziehen aufs Land: © Thünen-Institut/Christina Waitkus
3. Grafik „Binnenwanderung 2015 bis 2019 und 2020 bis 2021“: Statistisches Bundesamt (Destatis), Regionaldatenbank Deutschland; Berechnungen: ILS
4. Video „Woher kommt die neue Landlust?“: © ILS
5. Kein neuer Trend: © Thünen-Institut/ Fynn Fengler; Grafik „Binnenwanderung Deutsche 2000 bis 2021“: Statistisches Bundesamt (Destatis), Regionaldatenbank Deutschland, Berechnungen: ILS
6. Land-Stadt-Land
6.1. Video „Bleiben ist eine Standortentscheidung“: © Thünen-Institut/Lars Hybsz
6.2. Grafik „Anteil multilokal lebender Personen unter den Gewanderten“: Eigene Berechnungen auf Basis der KoBaLd-Befragung 2020
6.3. Grafik „Wohnstatus nach dem Zuzug“: Eigene Berechnungen auf Basis der KoBaLd-Befragungen 2020
6.4 Wohnen zwischen den Welten: © wavebreak3 - stock.adobe.com
6.5. Wunsch und Wirklichkeit: © ILS
7. Gehen oder bleiben?: © ArTo - stock.adobe.com; Grafik „Die Lebensphase bestimmt den Wohnort“: Thünen-Institut/Peter H, Tippel C, SteinführerA
7.1. Alles eine Phase: © Thünen-Institut/Christina Waitkus; ©th-photo - stock.adobe.com
7.2. Individuelle Wohnbiografien: © Thünen-Institut/Christina Waitkus; © ILS
8. Video „Wohnortwechsel sind keine Flucht“: © Thünen-Institut/Lars Hybsz
9. Grafik „Kriterien der Wohnstandortwahl“: Eigene Berechnungen auf Basis der KoBaLd-Befragungen 2020
10. „Man braucht Rückzugsmöglichkeiten“: © Thünen-Institut/Christina Waitkus
11. „Mit Kindern ins Eigenheim“: © Thünen-Institut/Christina Waitkus
12. Wo ist der ideale Wohnort?: © Thünen-Institut/Christina Waitkus
13. Fazit: © sonne_fleckl - stock.adobe.com
14. Über das KoBaLd-Projekt: © Thünen-Institut/Heidrun Fornahl
15. Quellen: © ILS
16. Literatur zum Weiterlesen: © Thünen-Institut/Christina Waitkus
17. Abbildungen: © Thünen-Institut/Kim Pollermann
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Stadt oder Land?

Dr. Annett Steinführer

Projektleiterin KoBaLd am Thünen-Institut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen

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Auch das Bleiben ist eine Form der Wohnstandortentscheidung. Wie das Wohnen an mehreren Orten spielte es bislang in der Forschung ebenfalls nur eine untergeordnete Rolle. Dabei ist das Bleiben nicht selbstverständlich und nicht unumstritten. Vielmehr wird es wie das Gehen immer wieder neu ausgehandelt.

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Zur Vielfalt von Wohnstandortentscheidungen gehört auch die Möglichkeit, an mehr als einem Wohnort zu leben. Für manchen ist eine so genannte multilokale Lebensführung eine Übergangsphase. Andere erklären es zu ihrem Lebensmodell. In der Wanderungsforschung wurde das Phänomen lange Zeit nur am Rande beachtet.

Dabei ist multilokales Wohnen deutlich weiterverbreitet, als es Zahlen zu Zweitwohnungen aus amtlichen Statistiken vermuten lassen. Nach der bundesweiten Bevölkerungsumfrage des KoBaLd-Projekts leben 20 Prozent der Personen, die in den vergangenen fünf Jahren gewandert sind, an zwei oder mehr Wohnorten.

Die Gründe und Wohnformen sind vielfältig. Es kann sich um das Haus der Eltern, eine Unterkunft am Ausbildungs- oder Arbeitsort, die Wohnung des Partners oder der Partnerin oder ein Feriendomizil handeln.

Multilokales Wohnen eröffnet vor allem die Chance, trotz des Gehens soziale Bezüge zum vorherigen Wohnort aufrechtzuerhalten. Über größere Distanzen hinweg lassen sich zudem städtische und ländliche Qualitäten an unterschiedlichen Wohnorten miteinander verbinden.


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Verglichen mit anderen europäischen Ländern ist Deutschland ein Land der Mieterinnen und Mieter: 2018 wohnten nur 47 Prozent der Deutschen in einer Immobilie, die ihnen selbst gehörte. Dennoch: Je ländlicher ein Ort, desto höher ist der Anteil des selbstgenutzten Wohneigentums.

Landläufig wird die Mietwohnung mit dem Leben in der Stadt verbunden. Dem tatsächlichen Stand entspricht diese Wahrnehmung allerdings nicht. „Sechs von zehn Personen, die aufs Land ziehen, wohnen dort zumindest am Anfang zur Miete“, sagt Expertin Annett Steinführer.

In der Tendenz suchen und finden nicht Wenige im Laufe der Jahre am ländlichen Wohnstandort eine Immobilie, die sie kaufen. Die Zahlen der KoBaLd-Studie verdeutlichen das: Wer schon länger im Dorf oder in der Kleinstadt lebt, wohnt zu einem sehr hohen Anteil im selbstgenutzten Eigentum. Und dieser Prozentsatz ist im Vergleich zum Zuzugszeitpunkt deutlich höher. 2020 lebten drei von vier Befragten, die seit mindestens zehn Jahren auf dem Land zu Hause sind, in einem Haus oder einer Wohnung, die ihnen gehörte.

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So eindeutig sich viele auch als Stadt- oder Landmensch betrachten, so uneindeutig sind sie in ihren Wünschen und ihrem tatsächlichen Handeln. Der Garten am Mietshaus, der wohnungsnahe Park oder das Eigenheim im Speckgürtel sind der ländliche Rahmen für das Großstadtleben, das ebenso gern genutzt wird.

In den 30 vertiefenden Interviews für die KoBaLd-Studie gab es so manchen, der je nach Lebensphase mal in der Stadt, mal auf dem Land lebt. Wer vom Dorf in die Stadt zieht, spielt vielleicht noch Fußball im Heimatverein. Viele kappen ihre Beziehungen nicht vollständig. Gegebenenfalls wird daraus im Laufe des Lebens eine Rückkehr, die nie geplant war.
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Im Laufe ihres Lebens versuchen Menschen ihren tatsächlichen Standort immer mehr ihrem Wunschstandort anzugleichen. Auch dazu liefert die KoBaLd-Befragung interessante Ergebnisse: Fast 70 Prozent der Befragten, die in einer Großstadt leben, würden lieber in einer mittelgroßen oder kleinen Stadt oder sogar auf dem Dorf wohnen. Menschen, die im Dorf oder in der Kleinstadt wohnen, können sich hingegen nur selten ein Leben in der Großstadt vorstellen.

Am stärksten verbreitet ist der Wunsch nach ländlichen Wohnstandorten oder nach einem Leben in Ortsrandlagen bei Menschen zwischen 50 und 65 Jahren. Je älter die Menschen werden, desto eher wohnen sie schließlich so, wie sie es sich eigentlich vorstellen.

Wer Wunsch und Wirklichkeit nicht vereinen kann, sucht sich Nischen: das Leben am Rand der Großstadt als Alternative zur Kleinstadt, die Wohnung im Zentrum einer Kleinstadt statt der Mittel- oder Großstadt. Wer gern in der Stadt lebt, möchte dort in aller Regel auch zentral wohnen. Wen es aufs Land zieht, der sucht auch in der Großstadt die grüne Oase.
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Immer wieder die gleichen Gründe

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Lange Zeit herrschte das einheitliche Bild, dass vor allem junge Leute, besser Gebildete und Frauen die ländlichen Räume verlassen. Sie gehen für Ausbildung und Studium und bleiben oft für immer in der Stadt.

In den vergangenen Jahren sind jedoch insbesondere Rückwanderungen in ländliche Räume und das sogenannte Bleiben verstärkt in das Zentrum des Forschungsinteresses gerückt. Wird die Entscheidung zur Rückkehr getroffen, spielen dabei sowohl das Lebensgefühl an einem Ort oder die Nähe zu Freundinnen und Freunden sowie Verwandten eine wichtige Rolle. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die emotionale Bindung an einen Ort.

Die Entscheidung, den bisherigen Wohnort zu verlassen oder aber zu bleiben, hängt bei den meisten Menschen zudem eng mit ihrer Lebensphase zusammen. Ausbildung oder Studium führen in der Regel dazu, dass junge Leute ihr Elternhaus in Dorf oder Kleinstadt verlassen und in eine Großstadt ziehen. Berufliche Gründe sind im weiteren Verlauf noch immer die häufigsten Auslöser eines Standortwechsels.

Mit der Familiengründung kehren „Landkinder“ dann häufig in die alte Heimat zurück oder ziehen zumindest in eine ländlichere Region. Werden die Kinder flügge, stellen sich erneut Fragen nach Wohnort und Lebensmittelpunkt, ebenso wie mit dem Ende des Erwerbslebens. In der Forschung liegt deshalb der Fokus auf dem Lebensverlauf. Alter, Größe und Zusammensetzung des Haushaltes sowie finanzielle Mittel spielen eine wesentliche Rolle für die Wahl des Wohnortes.
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Zu diesen Gründen gesellen sich persönliche Wohnwünsche, gesellschaftliche Leitbilder sowie unvorhergesehene äußere Ereignisse wie die Corona-Pandemie und ein angespannter Wohnungsmarkt. Auch Zufälle, Gelegenheiten und ungeplante Ereignisse im Privaten führen dazu, dass Menschen wandern.

Letztlich ist jede „Wohnbiographie“ einzigartig und beruht auf vier wesentlichen Punkten:
  • Erfahrungen: „Landkinder“, die eine glückliche Kindheit auf dem Land erlebt haben, bevorzugen Dorf und Kleinstadt eher als Lebensraum für die eigene Familie.
  • Beruf und Karriere: Das Leben in der größeren Stadt muss in nahezu jeder Biografie einmal vorkommen, insbesondere, um die eigene Bildung zu vervollkommnen.
  • Persönliche Überzeugungen: Dem einen gilt Urbanität als Nonplusultra, für andere ist nur das Wohnen auf dem Land ein gutes Leben. Zugleich haben viele Menschen eine feste Vorstellung davon, wie sich im Laufe ihres Lebens ihre Wohnsituation immer weiter verbessert. In der Wissenschaft wird das Wohnkarriere genannt. Den Höhepunkt dieser Karriere bildet in Deutschland und vielen anderen Ländern das selbstgenutzte Eigenheim.
  • Gesellschaftliche Prägungen: In den Abwägungen über den passenden Wohnstandort werden immer auch Lebensfragen verhandelt, ebenso wie Rollenbilder und die Vorstellungen von guter Elternschaft und glücklicher Kindheit.

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